ENTLASSEN –
UND VERLASSEN! PFLEGENDE ANGEHÖRIGE
WÜNSCHEN SICH EINE BESSERE
INTEGRIERTE VERSORGUNG

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Wenn Schlaganfall-Patienten nach der stationären Erstversorgung im Krankenhaus zurück in ihre Familie kommen, ändert sich der Alltag oft „auf einen Schlag“ – auch für die Angehörigen. Denn bei rund 45 Prozent aller Patienten hat der Schlaganfall langfristige Folgen1,2, die die Angehörigen plötzlich vor Herausforderungen stellen, für die sie häufig nicht ausreichend gewappnet sind und von denen sie sich überfordert fühlen.

Informations- und Versorgungslücken beim Entlassmanagement von Schlaganfall-Patienten

Seit 2017 haben Patienten und ihre Angehörigen vor der Entlassung aus der Klinik einen Anspruch auf das sog. Entlassmanagement. Dabei informiert der Krankenhaus-arzt über die erfolgte Behandlung und bespricht die notwendigen weiteren therapeutischen Schritte. Darüber hinaus sollte das Entlassmanagement den reibungslosen Übergang zur erforderlichen Anschlussversorgung sicherstellen und die Patienten und ihre Angehörigen bestmöglich auf die Versorgungssituation und die Pflege zuhause vorbereiten.

Wie der von der Ipsen-Initiative Räume zum Reden initiierte Angehörigen-Report zum Thema „Schlaganfall und seine Folgen“ zeigt, fühlen sich Schlaganfall-Patienten und ihre Angehörigen an dieser Stelle häufig nicht umfassend genug abgeholt. 

Die Befragung ergab, dass 43,1 Prozent der pflegenden oder unterstützenden Angehörigen keine oder nur teilweise hilfreiche Informationen nach der Erstversorgung im Krankenhaus erhalten haben. Knapp ein Drittel (32,2 Prozent) hätte sich unmittelbar nach dem Schlaganfall mehr Aufklärung gewünscht. Und für rund 25 Prozent wären mehr Informationen im Verlauf der Reha eine große Hilfe gewesen.

Sicherlich hat sich in den letzten Jahren dank Pflegereform, Pflegestärkungsgesetz und § 45a SGB XI von sozialstaatlicher Seite vieles getan, was das Versorgungsmanagement von Schlaganfall-Patienten zuhause sowie die Unterstützung der pflegenden Angehörigen erleichtert. Und insbesondere das GKV-Versorgungsstärkungsgesetz hat das Entlassmanagement umfassend reformiert.

Dennoch sind Experten wie der Berliner Neurologe und Reha-Mediziner Prof. Dr. med. Jörg Wissel der Meinung, dass strukturierte Prozesse die nach wie vor bestehenden Lücken im Sinne einer integrierten Versorgung schließen können. 

Stationär sei genug Zeit – auch für die Fragen und Anliegen der Angehörigen. Problematisch werde dann die Weiterversorgung im ambulanten Bereich und zuhause. Da sieht Wissel auch den Gesetzgeber in der Pflicht: „Das Gesundheitssystem sieht vor, dass die Nachsorge von Schlaganfall-Patienten vom Hausarzt, unterstützt durch den Facharzt, organisiert wird. Das Themenfeld und der Bedarf sind allerdings sehr groß, so dass der Allgemeinmediziner diese Leistungen ohne Hilfen nur selten alleine abdecken kann.“ 

Auch dem hohen Stellenwert des unterstützenden Angehörigen für den Erfolg der Therapien trage unser System nach wie vor noch immer zu wenig Rechnung: „Formal geht es darum, dass das Gesundheitssystem uns Ärzten oder auch Kollegen aus dem Sozialwesen mehr definierte Zeit für die Beratung und die Beschäftigung mit berechtigten Bedürfnissen von Angehörigen einräumt.“

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STRUKTURIERTE PROZESSE: ANGEHÖRIGE UND EXPERTEN FORDERN LÜCKENLOSE INTEGRIERTE VERSORGUNG VON SCHLAGANFALL-PATIENTEN

Der Neurologe Dr. Axel Schramm von der NeuroPraxis in Fürth ist der Ansicht, dass es wichtig sei, die interdisziplinäre Fallkonferenz, die es im Krankenhaus während der Visite gebe, in die ambulante Betreuung und Versorgung zu überführen. „Die meisten Angehörigen übernehmen wahnsinnig viele Aufgaben. Aber es ist aus meiner Sicht wichtig, den Druck herauszunehmen und die Verantwortung teilweise und auch gezielt abzugeben. Die Angehörigen sind nicht verantwortlich für den Therapieerfolg, sie sollten für die Erkrankten eher Begleiter und Motivatoren sein. Die Verantwortung sollte bei Ärzten, Therapeuten und den Patienten selbst liegen. Das ganze Team muss funktionieren.“

Den pflegenden und unterstützenden Angehörigen rät er, jede Hilfe, die sie bekommen können, auch zu nutzen. Dabei sollten sie nicht alles an den Arzt adressieren, sondern spezifische Fragestellungen auch mit Therapeuten, mit Krankenkassen, mit Selbsthilfegruppen, gegebenenfalls mit dem Pflegedienst usw. klären und sich bei der Suche nach Hilfe bei der Betreuung breit aufstellen.

Pflegende Angehörige von Schlaganfall-Patienten können keine Therapie-Manager sein

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Auch der Physiotherapeut Christoph Hofstetter sieht die Notwendigkeit einer stärkeren Vernetzung und integrierten Versorgung gegeben: Er regt zum Beispiel interdisziplinäre Sprechstunden für Angehörige mit dem gesamten Behandlungsteam an, die auch von den gesetzlichen Krankenkassen bezahlt werden sollten.

Sektorengrenzen abbauen, integrierte Versorgung vorantreiben: Die Folgen eines Schlaganfalls besser in den Griff bekommen

Nach einem Schlaganfall kommt es neben Sprachstörungen häufig auch zu ausgeprägten Mobilitätseinschränkungen. Etwa 30 bis 40 Prozent der Patienten entwickeln eine Spastik.3 Diese motorischen Bewegungseinschränkungen beeinträchtigen die Lebensqualität der Patienten und ihrer Angehörigen erheblich.2 Insbesondere die dadurch entstehenden Schmerzen, aber auch die damit verbundene soziale Ausgrenzung und die Stigmatisierung aufgrund der veränderten Körperhaltung machen sowohl den Patienten als auch den Angehörigen zu schaffen.

Im Sinne einer ganzheitlichen integrierten Versorgung setzt sich die Initiative Räume zum Reden dafür ein, das Entlassmanagement noch weiter zu optimieren und bestehende Sektorengrenzen abzubauen. In diesem Zuge verweist sie auch auf die aktuelle S2k-Leitlinie zur Therapie des spastischen Syndroms der DGNeurologie. Sie ermuntert Patienten mit Spastiken und ihre Angehörigen ausdrücklich dazu, alle drei bis sechs Monate Kontrolluntersuchungen in spezialisierten Zentren in Anspruch zu nehmen.4

Quellen:
  1. Wissel J, Manack A, Brainin M. Toward an epidemiology of poststroke spasticity. Neurology 2013; 80(3 Suppl 2): S13–19.
  2. Hotter B et al. Identifying unmet needs in long-term stroke care using in-depth assessment and the Post-Stroke Checklist – The Managing Aftercare for Stroke (MAS-I) study. Eur Stroke J 2018; 3(3): 237–245.
  3. Tholen R et al. Dosis-Wirkungs-Beziehungen bei der Rehabilitation der Mobilität nach Schlaganfall Erkenntnisse aus der S2e-Leitlinie (ReMoS). Neurol Rehabil 2017; 23(1): 39–44.
  4. Platz T. S2k-Leitlinie: Therapie des spastischen Syndroms. DGNeurologie 2019: 2(4), 258–279.