Was ist Spastik? Ursachen, Symptome und Behandlungsmöglichkeiten
Die Spastik ist eine häufige Folgeerscheinung von neurologischen Erkrankungen oder Verletzungen des zentralen Nervensystems (ZNS). Spastische Lähmungen äußern sich durch eine erhöhte Muskelspannung, was die Mobilität und damit auch die Bewältigung alltäglicher Aufgaben und die Lebensqualität betroffener Personen wesentlich beeinträchtigen kann. Gezielte Therapieansätze und Strategien können die Spastik lindern und den Umgang mit den Bewegungseinschränkungen erleichtern.
Definition: Was versteht man unter Spastik?
Die Spastik ist keine eigenständige Erkrankung, sondern ein Symptom, das durch Schäden im zentralen Nervensystem, also in Gehirn und Rückenmark, auftreten kann. Der Begriff leitet sich vom griechischen Wort „spasmós“ (zu Deutsch: Krampf) ab. Durch eine gestörte Übertragung von Nervensignalen vom ZNS in die Peripherie kommt es zu einer erhöhten Anspannung der Skelettmuskulatur und infolgedessen zu unkontrollierten Bewegungen, Zuckungen und Krämpfen¹.
Neben neurogenen Ursachen (z. B. fehlregulierte Reflexe) tragen auch nicht-neurogene Faktoren wie sekundäre Weichteilverkürzungen und Veränderungen der Muskeleigenschaften (Viskosität) zur Spastik bei.
Ärzt*innen sprechen auch von einer spastischen Bewegungsstörung oder kurz SMD (engl.: spastic movement disorder).
Klassifikation von Spastik
Je nach Ausbreitung unterscheidet man in der Medizin zwischen einer fokalen Spastik, wenn einzelne Muskeln oder Gliedmaße betroffen sind, sowie einer segmentalen und generalisierten Spastik, die mehrere Körperteile bzw. den ganzen Körper umfasst¹ ².
Entsprechend des Verteilungsmusters lässt sich die Spastik einteilen in:
Monospastik: Spastizität an einem Gliedmaß, z. B. einem Bein oder Arm
Paraspastik: Spastizität paralleler Gliedmaße, also beider Beine oder beider Arme
Hemispastik: Spastizität an den Gliedmaßen (Arm und Bein) derselben Körperhälfte
Tetraspastik: Spastizität aller vier Gliedmaße, zusätzlich können die Hals- und Rumpfmuskulatur betroffen sein³
Gemäß der aktuellen Leitlinie unterscheidet man zusätzlich explizit zwischen fokaler (einzelne Bewegungssegmente), multifokaler (mehrere voneinander getrennte Bewegungssegmente), segmentaler (mehrere benachbarte Segmente einer Extremität), multisegmentaler (zwei Extremitäten oder eine Extremität mit Rumpf) und generalisierter (mehr als zwei Extremitäten inkl. Rumpf) Spastik.

Ursachen von Spastik: Wie entsteht eine spastische Bewegungsstörung?
Ursache der Spastik ist eine Schädigung des zentralen Nervensystems. Das ZNS stellt quasi die Schaltzentrale des Körpers dar und steuert unter anderem auch die Bewegungen, indem es über Nervenbahnen – die sogenannten Motoneuronen – Signale vom Gehirn an die Skelettmuskulatur sendet. Dabei sorgen stimulierende Impulse für eine Anspannung (Kontraktion) des angesteuerten Muskels, hemmende Impulse für eine Entspannung. Bei einer Schädigung des oberen (ersten) Motoneurons fehlen jedoch die hemmenden Signale. Dadurch werden betroffene Muskeln übermäßig aktiviert und befinden sich in einer dauerhaften Anspannung, die sich willentlich nicht lösen lässt⁴.
Erkrankungen und Verletzungen als Auslöser der Nervenschäden
Zu den häufigsten Erkrankungen, die mit einer Spastik einhergehen können, zählen:
Schlaganfall: In den Wochen und Monaten nach einem Schlaganfall entwickeln bis zu 42 % der Patient*innen eine spastische Bewegungsstörung. Dabei handelt es sich meistens um eine Hemispastik an einer Körperseite⁵.
Schädel-Hirn-Trauma: Verletzungen des Gehirns durch Unfälle oder Stürze können motorische Nervenzellen dauerhaft schädigen. Die Ausprägung der Spastik hängt von der Schwere und Lokalisation der Verletzung ab¹.
Multiple Sklerose (MS): Bei der chronisch-entzündlichen Erkrankung wird die Signalübertragung durch Schäden an der Myelinschicht (äußere Hülle) der Nervenfasern beeinträchtigt. Bei MS tritt die Spastik häufig an den Beinen auf⁵.
Infantile Zerebralparese: Die frühkindliche Hirnschädigung, z. B. durch Sauerstoffmangel bei der Geburt, beeinträchtigt die Entwicklung des Gehirns und verursacht oft eine generalisierte Spastik, die mehrere Gliedmaßen betrifft¹.
Verletzungen des Rückenmarks: Traumatische Schädigungen des Rückenmarks, etwa durch Verkehrsunfälle oder Stürze, können die Signalübertragung zwischen Gehirn und Muskeln unterbrechen. Dies führt häufig zu Paraspastik in den Beinen⁵.
Seltener führen degenerative Erkrankungen wie Amyotrophe Lateralsklerose (ALS) oder Infektionen wie Enzephalitis oder Meningitis zu spastischen Bewegungsstörungen.
Symptome: Woran erkennt man eine Spastik?
Die Spastik entwickelt sich oft schleichend und beginnt mit einer leichten Steifheit oder einem erhöhten Widerstand bei Bewegungen, der mit der Zeit stärker wird. Die typischen Symptome¹ ⁶ sind eng mit einer gestörten Regulation des Muskeltonus und der Bewegungssteuerung verbunden.
Erhöhter Muskeltonus: Die Grundspannung der Muskulatur ist krankhaft erhöht (Hypertonie), was sich besonders bei passiven Bewegungen als Widerstand bemerkbar macht. Schnelle Bewegungen verstärken diesen Effekt noch.
Unwillkürliche Muskelkontraktionen: Sie werden oft durch äußere Reize wie Berührung oder Bewegung ausgelöst und sind meist schmerzhaft.
Klonus: Darunter versteht man rhythmische, unwillkürliche Zuckungen der Muskeln.
Verminderte Muskelkraft: Die Fähigkeit der betroffenen Muskeln, gezielte und kraftvolle Bewegungen auszuführen, ist häufig reduziert.
Verlangsamte Bewegungen: Bewegungsabläufe werden nicht nur durch die Muskelsteifheit erschwert, sondern auch durch eine Verlangsamung der Signalweiterleitung und eine unzureichende Koordination.
Eingeschränkte Koordination und Feinmotorik: Präzise Bewegungen wie Schreiben, Knöpfen oder das Halten kleiner Gegenstände werden durch die gestörte Steuerung der Muskeln beeinträchtigt.
Schmerzen: Die anhaltende Muskelanspannung, Krämpfe und eine Fehlbelastung der Gelenke verursachen teilweise starke Schmerzen.
Verstärkte Reflexe: Reflexe wie der Patellarsehnenreflex am Knie fallen übermäßig stark aus. Zudem können pathologische Reflexe wie der Babinski-Reflex (Streckung der großen Zehe bei Bestreichen der Fußsohle) auftreten.
Spastische Dystonie: Spontane, unwillkürliche Muskelanspannungen, die zu abnormalen Haltungen oder Fehlstellungen führen können.
Typische Spastikmuster und Bewegungseinschränkungen
Die Spastik betrifft je nach Schweregrad und Lokalisation unterschiedliche Muskelgruppen. Dabei entstehen typische Bewegungs- und Haltungsmuster, die durch die übermäßige Spannung bestimmter Muskeln geprägt sind und die Beweglichkeit stark beeinflussen.
An den oberen Extremitäten zeigt sich die Spastik häufig durch eine Einwärtsdrehung der Schulter oder des Unterarms sowie durch enges Heranziehen an den Körper. Diese Haltungen erschweren alltägliche Bewegungen wie das Heben eines Glases oder feinmotorische Tätigkeiten wie Schreiben. Oft sind Ellenbogen und Handgelenke stark gebeugt, und die Finger verharren in einer Fauststellung⁷.

An den unteren Extremitäten äußert sich Spastik häufig durch gestreckte oder gebeugte Knie sowie typische Fußfehlstellungen wie dem spastischen Spitzfuß. Betroffene können auch unter einer Überstreckung der Großzehe oder gekrümmten Zehen leiden. Die Muster beeinträchtigen das Gehen, Stehen und Treppensteigen erheblich. Viele Betroffene sind daher auf Hilfsmittel wie Rollatoren, Stöcke oder Rollstühle angewiesen, um ihre Mobilität zu erhalten.

Triggerfaktoren bei Spastik
Verschiedene Faktoren können spastische Symptome auslösen oder vorübergehend verstärken.
Mögliche Spastik-Trigger⁸ sind:
Stress und innere Anspannung
Extreme Temperaturen und Temperaturschwankungen
Hastige Bewegungen
Müdigkeit
Schmerzen
Infektionen, z. B. Atemwegs- und Harnwegsinfekte
Verdauungsprobleme wie Durchfall und Verstopfung
Die Identifikation dieser Faktoren hilft, Spastik besser zu kontrollieren. Gezielte Therapieansätze und Anpassungen im Alltag tragen dazu bei, Spastik-Trigger zu minimieren oder ihre Auswirkungen zu mildern.
Spastik rechtzeitig erkennen
Eine Spastik kann sich bereits nach wenigen Tagen, meist jedoch erst Wochen oder Monate nach dem auslösenden Ereignis – wie z. B. einem Schlaganfall – entwickeln¹. In der Regel ist zu diesem Zeitpunkt die akute Behandlung bereits abgeschlossen. Umso wichtiger ist eine frühzeitige Erkennung, da eine unbehandelte Spastik ernsthafte Folgen wie Muskelverkürzungen oder Fehlstellungen der Gelenke nach sich ziehen kann⁹.
Die Spastik-App wurde von Mediziner*innen und Fachleuten entwickelt, um Betroffene und Angehörige bei der Erkennung der Spastik zu unterstützen. Sie enthält einen Fragebogen, der wöchentlich potenzielle Symptome abfragt und basierend auf den Antworten Handlungsempfehlungen gibt – wie z. B. die Kontaktaufnahme zum behandelnden Arzt/der Ärztin. Die App bietet zudem die Möglichkeit, auftretende Symptome zu dokumentieren. Die Daten können bei Arztterminen genutzt werden, um den Krankheitsverlauf nachzuvollziehen. Die Spastik-App ist kostenlos im App Store und Google Play Store erhältlich.
Diagnose: Wie wird eine Spastik festgestellt?
Eine präzise Diagnostik ist entscheidend für eine individuell angepasste Therapie, die die Symptomatik der Spastik und deren Auswirkungen auf den Alltag berücksichtigt. Zudem gilt es, die Spastik von anderen motorischen Störungen wie z. B. Rigor abzugrenzen.
Erster Schritt ist eine ausführliche Anamnese. Erfragt werden die Krankengeschichte sowie Art, Dauer und Intensität der Symptome. Besondere Aufmerksamkeit gilt auch Triggerfaktoren, die die Spastik verstärken können. Zudem wird erfasst, wie die Symptome Alltag und Lebensqualität der betroffenen Person beeinflussen.
Anschließend erfolgen körperliche Untersuchungen und neurologische Tests, um Muskelkraft, Muskeltonus, Koordination und Beweglichkeit der Gelenke zu ermitteln. Zur Bewertung des Schweregrads der Spastizität werden international anerkannte Standards wie die modifizierte Ashworth-Skala und die Tardieu-Skala herangezogen. Besondere Bedeutung kommt der funktionellen Einschätzung zu, um zu beurteilen, wie stark die Spastik die Mobilität, Alltagskompetenz und soziale Teilhabe beeinträchtigt. Anhand dieser objektiven Kriterien lässt sich zudem nachvollziehen, ob der/die Patient*in auf die Therapiemaßnahmen anspricht oder eine Anpassung notwendig ist⁴.
In manchen Fällen kommen bildgebende Verfahren wie Magnetresonanztomographie (MRT) oder Computertomographie (CT) zum Einsatz, insbesondere wenn die Ursache der Spastik noch nicht geklärt ist.
Behandlung von Spastik: Welche Therapieoptionen gibt es?
Eine vollständige Heilung der Spastik ist nicht möglich, es gibt jedoch verschiedene Therapieansätze, um die Symptome zu lindern und die Lebensqualität zu verbessern. Ziel der Behandlung ist, die Muskelspannung zu regulieren, die Funktionsfähigkeit der betroffenen Gliedmaßen zu erhalten und Schmerzen zu verringern. Abhängig von individuellen Einschränkungen der Patient*innen kommen nicht-medikamentöse Maßnahmen (z. B. Physiotherapie) und medikamentöse Behandlungen – oftmals in Kombination – sowie ggf. operative Verfahren zum Einsatz¹.
Nicht-medikamentöse Therapie bei Spastik
Zentraler Bestandteil der Spastik-Behandlung ist die Physiotherapie zur Verbesserung der Beweglichkeit und Stärkung aktiver motorischer Funktionen. Neben Übungen zur Dehnung und Mobilisation sowie gezieltem Krafttraining kann auch geräteunterstütztes Gang- oder Armtraining zur Anwendung kommen.
Empfohlen wird zudem die regelmäßige Lagerung betroffener Gliedmaßen mithilfe von Orthesen oder Schienen (Splints) in schmerzfreien Positionen, um die spastische Muskulatur sanft zu dehnen und Verkürzungen von Sehnen und Bändern vorzubeugen. Bei schwerer Spastik, die bereits zu Gelenkversteifungen geführt hat, kann eine Serie von Gipsverbänden helfen, die Gelenke wieder zu mobilisieren.
Ergänzend können sich Verfahren wie Elektrostimulation oder Elektroakupunktur an Arm und Bein positiv auf den Muskeltonus auswirken¹.
Ergotherapie unterstützt Betroffene bei der Wiedererlangung und Erhaltung funktioneller Fähigkeiten im Alltag. Neben der gezielten Verbesserung der Bewegungsabläufe stehen oft die Förderung der Selbstständigkeit und der Einsatz individuell angepasster Hilfsmittel im Vordergrund.
Injektionen mit Botulinumtoxin
Als Ergänzung zu nicht-medikamentösen Maßnahmen stellt die Injektionsbehandlung mit Botulinumtoxin – insbesondere bei fokaler Spastik – eine effiziente Therapie dar. Der Wirkstoff wird direkt in die betroffenen Muskeln injiziert und schwächt die Nervensignale, die für die Muskelkontraktionen verantwortlich sind. Dadurch können die überaktive Muskulatur gezielt entspannt, Krämpfe und unwillkürliche Bewegungen gemindert werden. Die Wirksamkeit der Botulinumtoxintherapie wird durch individuelle und selektierte Maßnahmen wie strukturiertes Dehnen, Orthesen, Gipsbehandlung (Casting), Taping oder Stoßwellentherapie (ESWT) verstärkt. Laut aktueller Leitlinie sollte Botulinumtoxin bei fokaler, multifokaler und segmentaler Spastik zudem in der Regel vor der Anwendung oraler Antispastika eingesetzt werden, da es ein günstigeres Nutzen-Wirkungs-Verhältnis aufweist.
Die Wirkung setzt innerhalb einer Woche nach Verabreichung der Injektion ein und hält in der Regel drei bis vier Monate an, in manchen Fällen auch länger. Die Behandlung mit Botulinumtoxin kann bei nachlassender Wirkung – frühestens nach 12 Wochen – wiederholt werden. Bei einer stärker ausgeprägten Spastik, die mehrere Gliedmaßen betrifft, kann Botulinumtoxin ggfs. ergänzend zu anderen Therapien eingesetzt werden¹ ¹⁰.
Im Video berichtet eine Patientin über ihr Leben mit einer Beinspastik nach einem Schlaganfall und ihren Erfahrungen mit der Botulinumtoxin-Therapie:

Orale Einnahme von Medikamenten
Orale Antispastika werden gemäß der medizinischen Leitlinien nur verordnet, wenn andere Maßnahmen nicht ausreichen, um die Spastizität zu kontrollieren. Da sie nicht nur auf die spastische Muskulatur, sondern den gesamten Körper wirken, können Nebenwirkungen wie Müdigkeit, Schwindel oder Muskelschwäche auftreten. Daher sind eine exakte Dosierung und regelmäßige ärztliche Kontrollen notwendig¹.
Bei sehr schwerer Spastik, die auf die orale Medikation nicht ausreichend anspricht oder durch deren Nebenwirkungen eingeschränkt wird, kann eine intrathekale Baclofen-Behandlung (ITB) erwogen werden¹. Dabei wird eine Medikamentenpumpe in die Bauchwand implantiert, die den Wirkstoff über einen dünnen Katheter direkt am Rückenmark abgibt, wodurch systemische Nebenwirkungen minimiert werden. Für eine erfolgreiche Therapie sind allerdings eine regelmäßige Nachsorge und Wartung der Pumpe erforderlich.
Operationen bei Spastik
Operative Eingriffe werden bei Spastik nur nach sorgfältiger Prüfung in Betracht gezogen, wenn andere Behandlungsansätze ausgeschöpft sind. So kann z. B. ein Nerventransfer erwogen werden, bei dem der Nerv eines funktionierenden, aber entbehrlichen Muskels auf einen spastischen Muskel umgeleitet wird³.
Leben mit Spastik
Die Spastik kann mit erheblichen Veränderungen und Herausforderungen im täglichen Leben verbunden sein. Ankleiden, Körperpflege und Tätigkeiten im Haushalt sind möglicherweise nur unter großer Anstrengung oder mit fremder Hilfe zu bewältigen. Je nach Schweregrad kann der Beruf nicht mehr ausgeübt werden, was wiederum in finanziellen Schwierigkeiten oder wirtschaftlicher Abhängigkeit münden kann. Zusätzlich stellt die neue Lebenssituation auch eine starke mentale Belastung dar. Anpassungen im Alltag, die Nutzung von Hilfsmitteln und verschiedene Unterstützungsangebote können dazu beitragen, den Umgang mit den Einschränkungen zu erleichtern und die Lebensqualität zu verbessern.
Hilfsmittel für Mobilität und Selbstständigkeit im Alltag
Bei Beeinträchtigungen der Beinmotorik bieten Mobilitätshilfen wie Rollatoren, Unterarmgehstützen oder Rollstühle Unterstützung und Sicherheit bei der Fortbewegung. Individuell angefertigte Orthesen und Schienen helfen, die Gelenke zu stabilisieren, Fehlhaltungen zu vermeiden und Bewegungen besser zu kontrollieren.
Bei einer Spastizität an Hand oder Arm, die Kraft und Feinmotorik beeinträchtigt, können kleine Alltagshelfer die Selbstständigkeit fördern:
Greifzangen erleichtern das Aufheben und Festhalten von Gegenständen.
Beim Kochen und Essen sind Einhand-Schneidebretter, Messer und Essbesteck mit biegsamen Griffen oder Tellerranderhöhungen hilfreich.
Lange Schuhlöffel, Strumpfanzieher und Knöpfhilfen vereinfachen das Ankleiden.
Bürsten oder Schwämme mit verlängertem Arm, Duschhocker und Haltegriffe im Badezimmer erleichtern die selbstständige Körperpflege und Hygiene.
In Sachen Kommunikation kann man moderne Technologien gewinnbringend nutzen. Das Smartphone lässt sich durch Sprachbefehle, vereinfachte Nutzeroberflächen und Apps individuell anpassen. Auch der Computer ist mit Sprachsteuerung, einer speziellen Maus oder Tastatur einfacher zu bedienen.
Regelmäßige Dehnübungen bei Spastik
Tägliches Eigentraining ist essenziell, um die Beweglichkeit zu verbessern und mögliche Folgen einer Spastik wie Kontrakturen, Fehlhaltungen und schmerzhafte Verspannungen zu vermeiden. Dabei spielen gezielte Dehnübungen eine zentrale Rolle. Betroffene werden in der Regel durch Physiotherapeut*innen angeleitet, wie sie die Übungen auch zuhause korrekt und sicher ausführen und einfach in den Alltag integrieren können. Besonders wichtig ist es, die betroffenen Muskelgruppen langsam und kontrolliert zu dehnen, um eine Überlastung zu vermeiden².
Ergänzend können Entspannungstechniken wie Yoga oder die Progressive Muskelentspannung nach Jacobsen dazu beitragen, die Muskelspannung zu reduzieren, Verspannungen zu lösen und Stress abzubauen, der ein Trigger für Spasmen sein kann.
Emotionaler Beistand und psychologische Unterstützung
Spastik kann nicht nur den Körper, sondern auch die Psyche stark belasten. Häufig treten Zukunftsängste und Gefühle von Frustration, Hilflosigkeit oder sozialer Isolation auf, insbesondere dann, wenn die körperlichen Einschränkungen die selbstständige Lebensführung erschweren.
Selbsthilfegruppen bieten einen geschützten Raum, in dem sich Menschen mit ähnlichen Herausforderungen austauschen können. Im Kontakt mit anderen Betroffenen erfährt man Verständnis für seine Sorgen und Ängste, erhält praktische Tipps und oftmals neue Impulse, um das Leben aktiv zu gestalten. Adressen von Selbsthilfegruppen und -Communities sind in den Datenbanken vom NAKOS e.V. zu finden.
Psychologische Unterstützung, beispielsweise in Form einer Psychotherapie, kann Betroffenen helfen, die seelischen Belastungen der Spastik zu bewältigen. Gemeinsam mit Therapeut*innen werden individuelle Strategien entwickelt, um negative Gefühle zu verarbeiten und die inneren Ressourcen zu stärken, um mit schwierigen Situationen im Alltag besser umzugehen.
Finanzielle Hilfen und Sozialleistungen für Menschen mit Spastik
Bei einer Spastik können erhebliche Kosten anfallen, etwa für Therapien, Hilfsmittel oder die Anpassung der Wohnumgebung. Um die finanziellen Belastungen abzufedern, haben Betroffene in Deutschland Anspruch auf Leistungen des Sozialversicherungssystems.
Die gesetzliche Krankenversicherung übernimmt – bei ärztlicher Verordnung – in der Regel die Kosten für die medizinische Behandlung, eine gewisse Anzahl therapeutischer Anwendungen wie Physio- und Ergotherapie¹¹ sowie Hilfsmittel wie Orthesen oder Mobilitätshilfen¹².
Mit einem Schwerbehindertenausweis stehen Betroffenen Nachteilsausgleiche wie z. B. steuerliche Entlastungen oder Ermäßigungen im Öffentlichen Personennahverkehr zu. Arbeitnehmer*innen profitieren unter anderem von zusätzlichen Urlaubstagen und einem besonderen Kündigungsschutz. Um den Ausweis zu erhalten, muss vom Versorgungsamt ein Grad der Behinderung (GdB) von mindestens 50 festgestellt werden. Weiterführende Informationen zum Schwerbehindertenausweis sind auf den Seiten der Integrationsämter oder des BMAS verfügbar.
Arbeiten mit Spastik
Die Rückkehr an den Arbeitsplatz kann sich bei einer Spastik schwierig gestalten. Verschiedene Maßnahmen können jedoch helfen, den bisherigen Job weiterhin auszuüben oder einen neuen beruflichen Weg einzuschlagen.
Bei längerer Arbeitsunfähigkeit ist der Arbeitgeber verpflichtet, ein betriebliches Eingliederungsmanagement (BEM) anzubieten¹³.
Um die Rückkehr ins Berufsleben zu ermöglichen, können individuelle Anpassungen am Arbeitsplatz vorgenommen werden – z. B. ergonomische Hilfsmittel, flexible Arbeitszeiten oder organisatorische Veränderungen.
Im Rahmen der stufenweisen Wiedereingliederung (StW), auch „Hamburger Modell“ genannt, können Beschäftigte mit einer reduzierten Stundenzahl oder vereinfachten Aufgaben schrittweise wieder einsteigen¹⁴.
Kann die bisherige Tätigkeit nicht mehr ausgeübt werden, eröffnet die berufliche Rehabilitation neue Perspektiven. Die Kosten für Umschulungen oder Weiterbildungen werden meist von der Deutschen Rentenversicherung oder der Agentur für Arbeit übernommen.
Care Manager*innen unterstützen bei der Koordination dieser Maßnahmen. Sie begleiten den Prozess und fungieren als Schnittstelle zwischen Betroffenen, Arbeitgebern, medizinischen Fachkräften und Sozialversicherungsträgern.
Bei dauerhafter Arbeitsunfähigkeit oder wenn nur noch ein Teilzeitjob möglich ist, kann eine Erwerbsminderungsrente bzw. eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung beantragt werden. Weiterführende Informationen dazu finden sich auf dem Portal der Deutschen Rentenversicherung.
Beratung zu Sozialleistungen
Betroffene sind oft unsicher, welche Leistungen ihnen überhaupt zustehen und wie sie ihre rechtlichen Ansprüche geltend machen können. Institutionen wie Sozialverbände, Patientenorganisationen oder teilhabeberatung.de bieten eine individuelle Beratung, helfen bei der Antragstellung und stehen Betroffenen auch bei Widersprüchen gegen Ablehnungsbescheide zur Seite.
Häufige Fragen (FAQ) zu Spastik
Kann Spastik geheilt werden?
Die Spastik kann leider nicht geheilt werden. Es stehen jedoch verschiedene Therapieoptionen zur Verfügung, um die Symptome zu lindern und die Lebensqualität betroffener Person zu verbessern.
Welche Sportarten sind für Menschen mit Spastik geeignet?
Regelmäßige Bewegung ist wichtig, um die Beweglichkeit zu verbessern und mögliche Folgen einer Spastik wie Kontrakturen, Fehlhaltungen und schmerzhafte Verspannungen zu vermeiden. Daher sollten die Dehn- und Mobilisationsübungen, die in der Physiotherapie erlernt wurden, auch täglich zuhause im Eigentraining ausgeführt werden.
Welche Sportarten zusätzlich geeignet sind, hängt von der Schwere und Lokalisation der Spastik ab. Vor der Aufnahme sportlicher Aktivitäten sollte man sich mit dem Arzt/der Ärztin oder Therapeut*in besprechen, um übermäßige Belastungen zu vermeiden.
Wie wirkt sich Spastik auf die Lebenserwartung aus?
Eine Spastik hat im Allgemeinen keinen Einfluss auf die Lebenserwartung. Allerdings kann die Erkrankung, die die Spastik ausgelöst hat, möglicherweise die Lebenszeit der betroffenen Person verkürzen.
Fazit: Spastik verstehen und behandeln
- Die Spastik ist keine eigenständige Erkrankung, sondern ein Symptom, das durch Schäden im zentralen Nervensystem entstehen kann.
- Die häufigsten Auslöser der Nervenschäden sind neurologische Erkrankungen wie z.B. Schlaganfall, Multiple Sklerose oder Zerebralparese sowie Schädel-Hirn-Traumata oder Verletzungen des Rückenmarks.
- Typische Anzeichen sind eine erhöhte Muskelspannung, Krämpfe, Zuckungen und verlangsamte Bewegungen.
- Wichtig ist, die Spastik frühzeitig zu erkennen und behandeln, um Folgeschäden wie Muskelverkürzungen und Fehlhaltungen der Gelenke zu vermeiden.
- Die Behandlung der Spastik besteht meistens aus einer Kombination nicht-medikamentöser Maßnahmen wie z.B. Physiotherapie und einer medikamentösen Therapie. Je nach Schwere und Lokalisation kann eine Versorgung mit Orthesen und Mobilitätshilfen angeraten sein.
- Eine Spastik kann zu erheblichen Herausforderungen im Alltag führen und die selbstständige Lebensführung erschweren. Die Nutzung von Hilfsmitteln und verschiedene Unterstützungsangebote können helfen, den Umgang mit den Einschränkungen zu erleichtern und die Lebensqualität zu verbessern.
DAS KÖNNTE SIE INTERESSIEREN

ANGEHÖRIGEN-REPORT SELTENE ERKRANKUNGEN
Welche Bedürfnisse und Wünsche haben Angehörige, die Menschen mit seltenen Erkrankungen unterstützen?

ENTLASSEN — UND VERLASSEN! PFLEGENDE ANGEHÖRIGE WÜNSCHEN SICH EINE BESSERE INTEGRIERTE VERSORGUNG
Informationen für Angehörige, die Schlaganfallpatienten zuhause pflegen …
Quellen:
- Platz T. et al., Therapie des spastischen Syndroms, S2k-Leitlinie, 2018, in: Deutsche Gesellschaft für Neurologie (Hrsg.), Leitlinien für Diagnostik und Therapie in der Neurologie. Online: https://dgn.org/leitlinie/therapie-des-spastischen-syndroms abgerufen am 12.01.2025
- Disko, Andreas. 2020. „Behandlung und Management der Spastik“. Praxis 109 (10): 794–800. https://doi.org/10.1024/1661-8157/a003480.
- Hurth, Helene, Matthias Morgalla, Johannes Heinzel, Adrien Daigeler, Jonas Kolbenschlag, und Martin Schuhmann. 2023. „Chirurgische Verfahren zur Therapie von Spastik“. Der Nervenarzt 94 (12): 1116–22. https://doi.org/10.1007/s00115-023-01568-3.
- Waxenegger, Christopher. 2021. „Schmerzhafte spastische Zustände: Ursachen und Therapie“. Schmerz Nachrichten 21:16–18.
- Mitrovic, Nenad. 2023. „Das spastische Syndrom“. Schmerz Nachrichten 23 (2): 115–23. https://doi.org/10.1007/s44180-023-00113-7.
- Dietz, V. 2020. „Das spastische Syndrom: Therapie gesteigerter Reflexe?“ DG Neurologie 3 (1): 96–99. https://doi.org/10.1007/s42451-019-00137-w.
- Correll, Alexander. 2017. „Spastik nach Schlaganfall“. CardioVasc 17 (5): 30–34. https://doi.org/10.1007/s15027-017-1220-z.
- Konrad, Tanja. 2022. „Sieben Faktoren, die das Auftreten von Spastik bei Querschnittlähmung begünstigen können und wie man sie vermeidet“. Der-Querschnitt.de (blog). 14. Februar 2022. https://www.der-querschnitt.de/archive/50792. abgerufen am 11.01.2025
- Stiftung Deutsche Schlaganfall-Hilfe. 2024. „Spastische Bewegungsstörung“. https://www.schlaganfall-hilfe.de/de/gesundheitsmagazin/2024/ausgabe-3/2024-spastik/spastische-bewegungsstoerung. abgerufen am 12.01.2025
- Waxenegger, Christopher. 2023. „Botulinumtoxin verbessert Spastik der oberen Gliedmaßen“. Schmerz Nachrichten 23 (3):130–31. https://doi.org/10.1007/s44180-023-00130-6.
- BMG. 2024. „Heilmittel“. https://www.bundesgesundheitsministerium.de/heilmittel.html abgerufen am 14.01.2025
- BMG. 2024. „Hilfsmittel“. https://www.bundesgesundheitsministerium.de/hilfsmittel.html abgerufen am 14.01.2025
- Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin. 2023. „Return to Work (RTW) und Betriebliches Eingliederungsmanagement (BEM)“. https://www.baua.de/DE/Themen/Praevention/Betriebliche-Praeventions
Rehadat, Institut der deutschen Wirtschaft Köln. o. J. „Stufenweise Wiedereingliederung im BEM“. https://www.talentplus.de/im-job/betriebliches-eingliederungsmanagement-bem/typische-bem-massnahmen/stufenweise-wiedereingliederung/ abgerufen 15.01.2025